Der Traum vom auswandern nach Amerika
Nach dem Krieg sind viele Vietnamesen, die auf der Seite des Südens zusammen mit Amerika gekämpft hatten, nach Amerika ausgewandert. In Briefen und bei Besuchen in Vietnam wird natürlich nur das Beste vom Leben in Amerika erzählt. Auch werden Häuser und der Unterhalt der zurückgelassenen Familienmitgliedern in Vietnam von ihnen bezahlt. Es ist also kein Wunder, dass hier jeder der einen Verwandten in Amerika hat, davon träumt irgendwann einmal nachgeholt zu werden.
Auch eine Frau, im folgenden als Frau Nguyen genannt, hat eine Schwester die seit mehreren Jahren in Amerika lebt. Sie ist nicht etwa wie anzunehmen mit einem Amerikaner, sondern mit einem Vietnamesen dort verheiratet. Seit über einem Jahr versuchen sie nun schon eine weitere Schwester nach Amerika nachzuholen. “Zwischen den Zeilen” habe ich erfahren, dass die Schwester in Amerika nicht nur ihre Familie in Vietnam unterstützt sondern hauptsächlich auch die Familie ihres Mannes. Ich denke, obwohl mir nicht immer wieder Einzelheiten darüber erzählt wurden, kann ich mir folgendes Gesamtbild über die Lage dieser Familie machen. Wenn ich die vielen Einzelheiten zusammensetze dann komme ich zu folgendem Schluss!
Dieser Familie geht es in Amerika doch nicht so blendend wie sie sich ständig gibt. Das merke ich auch an den Plänen, die darauf hinauslaufen, dass sie erst nach 8 - 10 Jahren wieder zu Besuch nach Vietnam kommen wollen. Die monatlichen Belastungen an die Familie des Mannes lassen es nicht zu auch ständig so großzügig der Familie der Frau gegenüber zu sein. Es wird jetzt also eine weitere Schwester nachgeholt die dann auch mit dazu beitragen kann die Familie in Vietnam zu unterstützen.
Dies soll durch eine Heirat mit einem Vietnamesen, der bereits in Amerika lebt und einen amerikanischen Pass hat geschehen. Es ist bereits der dritte Versuch mit dem dritten Mann. Der Grund des Scheiterns beim ersten Mal ist mir nicht bekannt. Beim zweiten Mal wurde bereits eine Anzahlung an den Bräutigam übergeben. Es stellte sich dann aber kurz bevor er zum heiraten nach Vietnam fliegen sollte heraus, dass seine Freundin ungewollt schwanger geworden ist und er sie heiraten musste. Das Geld, das er bereits kassiert hatte, war bis zu diesem Zeitpunkt bereits ausgegeben und er konnte es nicht zurückzahlen.
Beim dritten Anlauf scheint es jetzt zu klappen. Gestern war der neue Bräutigam, ein Vietnamese aus Amerika mit amerikanischem Pass hier um sie zu heiraten. Insgesamt läßt sich das die Schwester in Amerika 40.000 US$ kosten. Wieviel sie beim ersten und zweiten Versuch in den Sand gesetzt hat, habe ich nicht erfahren. Gestern fand nun also die Scheinhochzeit statt. Auf dem Standesamt wurden die ganzen Papiere gemacht und danach zu Hause das Familienfest.
Ich fragte: “Wozu denn das Familienfest? Es ist doch eh alles nur Show.” Andere Eltern hatten dabei die Eltern des Bräutigams und andere Geschwister die Geschwister des Bräutigams gespielt. Man erzählte mir, dass die amerikanische Botschaft, wenn die Frau ein Visum beantragen will, um zu ihrem Mann nach Amerika zu ziehen, die Hochzeitsbilder sehen will.
Es gab aber ein Problem. Die Braut war mit ihrer Mutter beim Wahrsager und der hatte vorhergesagt, dass es Probleme geben kann. Die Familie soll bei der Hochzeit sehr gut auf alles achten sonst wird etwas passieren. Faszinierend, denn dem Wahrsager wurde nichts von der anstehenden "Scheinhochzeit" erzählt. Die Familie der Braut war darauf hin natürlich sehr eingeschüchtert als sie das vom Wahrsager zu hören bekamen. Sie haben jetzt Angst, dass es mit dem Auswandern nach Amerika vielleicht nicht klappen könnte. Die Hochzeit wurde darauf hin geheim gehalten, so dass die Braut wenn es nicht klappen sollte noch ein zweites Mal die Möglichkeit hätte in Vietnam einen Mann zu bekommen. Wenn diese Scheinhochzeit bekannt würde, hätte sie die Chance vertan in Vietnam noch mal einen Mann zu finden. Ich denke in diesem Fall würde der zweite Ehemann erst beim erledigen der Hochzeitspapiere von der ersten Hochzeit erfahren.
Das Familienfest wurde also geheim, von einer kleinen "Abordnung" gefeiert. Alle Gäste kamen etwas zeitversetzt in normaler Alltagskleidung an. Eines hatten alle Gäste gemeinsam. Anstelle von Geschenken hatten sie alle eine Plastiktüte mit ihren Kleidern, Anzügen und Krawatten unterm Arm.
|