Dschunke2

 
 

Halongbucht1

 
 

Dschunke2

 


 


 

WEBCounter by GOWEB

PDF Drucken E-Mail

 

Geburt unserer Tochter in Vietnam

 

Im Juli 2002 haben wir uns entschieden, ins Heimatland meiner Frau, nach Hoian in Vietnam, auszuwandern. Nach einem ¾ Jahr kam die erfreuliche Botschaft, dass wir Nachwuchs bekommen. Diese Nachricht sollte mein künftiges Leben auf den Kopf stellen. Deutsche Väter können sich kaum vorstellen oder glauben nicht, was ich in dieser Zeit erlebt und mitgemacht habe. Was sich vom Bekanntwerden der Schwangerschaft bis hin zum etwa 5. Lebensmonat des Kindes ereignete, möchte ich 

im folgenden Beitrag schildern. Ich möchte nicht behaupten, dass meine Erfahrungen auf ganz Vietnam zutreffen. Die Familie meiner Frau ist sehr abergläubisch. Das Gebiet um Hoian, Danang und Hue gilt als der konservativste Teil Vietnams was den Aberglaube betrifft. In anderen Regionen kann dies wieder ganz anders sein.

 

 

Schwangerschaft in Vietnam

Wie in Deutschland gibt es auch in Vietnam Schnelltests, um festzustellen, ob man schwanger ist. Um sicher zu sein, gehen wir einige Tage später noch zu einem Arzt nach Danang. Noch am selben Tag, als meine Frau die Schwangerschaft bestätigt bekommt, kauft sie sich ein Umstandskleid und bekleidet sich damit. Meine Bemühungen, sie davon abzubringen, da ja noch gar nichts zu sehen ist, scheitern. Erst jetzt, da ich darauf achte, fällt mir bei einigen Frauen auf, dass auch sie in Umstandskleidung herumlaufen, obwohl noch nichts zu sehen ist. Die Eßgewohnheiten ändern sich ab diesem Tag schlagartig. Meine Frau erzählt mir, dass sie Hunger auf Saures hat. Ich will es ihr kaum glauben, dass dies so schnell von einem auf den anderen Tag kommen kann. Sie erklärt mir, dass Vietnamesen daran glauben, dass man bei Appetit auf Saures eine Tochter bekommt. Hätte sie Appetit auf Süßes, dann würde es ein Junge werden.

 

 

 

Abgesehen von der veränderten Bekleidung, der Eßgewohnheiten und viel Müdigkeit gibt es noch den Aberglauben, der sehr vieles im gewöhnlichen Alltag verändert. Sehr überraschend ist für mich, dass all dies über Nacht kommen kann. Es ist so, als wenn ein Schalter umgelegt wird und danach alles anders ist. Von nun an sind wir jeden Monat einmal nach Danang zur Ultraschall-Untersuchung unterwegs. In Hoian, wo wir leben, gibt es diesen Service nicht. Es gibt hier lediglich einen Arzt der abtastet. Dies ist die Alternative für Leute mit weniger Geld. Bei einer der Untersuchungen sagt uns der Arzt, dass wir eine Tochter bekommen. Ich fasse es kaum, wie ich jetzt von allen, die davon erfahren, bemitleidet werde. Die Eltern meiner Frau machen mir Mut und sind sich sicher, dass wir das nächste Mal einen Sohn bekommen  werden.  Meine Frau  klärt mich auf und  sagt mir,

Meine Frau klärt mich auf und sagt mir, dass es die Pflicht der Söhne ist, im Haus zu bleiben und sich später um die Eltern zu kümmern. Töchter heiraten und ziehen zur Familie ihres Mannes und unterstützen diese. Viel schlimmer ist es aber wegen dem Ahnenkult. Unsere Tochter wird später zusammen mit ihrem Mann den Ahnenkult für dessen Vorfahren praktizieren. Bekommen wir nicht noch einen Sohn, dann wird es niemanden geben, der für uns den Ahnenkult praktiziert. Im Haus unserer Nachbarn gibt es bereits 4 Töchter. Die Oma des Hauses besteht darauf, dass noch ein weiteres Kind kommt, mit der Hoffnung, einen Enkelsohn zu bekommen, der für sie den Ahnenkult praktizieren wird. Bei einem Gespräch mit der Nachbarin erfahre ich, dass nach der dritten Tochter ein Beamter da war und sie überzeugen wollte, keine weiteren Kinder mehr zu bekommen. Nach der vierten Tochter kamen wieder Beamte ins Haus und es wurde über Sterilisation geredet. Meine Frau erzählt mir, dass der Staat möchte, dass man nur noch 2 Kinder hat. Sie berichtet mir von Leuten, die mit der Geburt des 3. Kindes vom Staatsdienst entlassen wurden.

 

 

Aberglaube bei der Schwangerschaft

 

Folgende Punkte hat mir meine Frau nicht etwa Punkt für Punkt vorgelesen, sondern wir haben sie im Alltag erlebt. Die 9 Monate waren eine recht lange Zeit und oftmals habe ich die „Gebote/Verbote“ auch nur so hingenommen, ohne weiter darüber nachzudenken. Einige „Gebote/Verbote“ sind mir leider abhanden gekommen, da ich sie nicht gleich notiert habe.

 

Eine Schwangere soll nicht:

  • Über einen Schlauch gehen der am Boden liegt. Ist es aber unvermeidbar, dann soll sie darauf treten. Achtet man nicht darauf, dann wird befürchtet, dass sich die Gedärme um das Embryo wickeln und es würgen.
  • Eine Baustelle oder einen Neubau betreten, der noch nicht die Einweihungsfeier hinter sich hat. Tut sie es doch, dann bringt dies dem Besitzer Pech.
  • Von einem Sitzplatz aufstehen ohne danach mit der Hand ein paar mal in den Rücken zu klopfen. Tut sie dies nicht, dann kommt das Baby zu früh zur Welt.
  • Während dem Essen herumlaufen. Tut sie dies doch, dann hat sie während der Geburt Stuhlgang.
  • Auf die Straßen hinausgehen, kurz nach dem es geregnet hat. Tut sie dies dennoch, dann bringt sie ein verkrüppeltes Kind zur Welt.
  • Sehr saure Säfte trinken. Tut sie dies dennoch, dann besteht die Gefahr, dass das Kind genau so ein verzogenes Gesicht haben wird wie die Schwangere, während sie das Getränk zu sich nahm.
  • Einen Baum oder sonst etwas anpflanzen. Dies trifft auch für den Ehemann zu. Tut man es dennoch, dann hat dies zur Folge, dass bei der Geburt das Kind nicht herauskommen will.
  • Ein Haus bauen. Dies trifft auch für den Ehemann zu. Tut man es dennoch, dann bringt man Unglück in dieses Haus. Leute, die davon wissen, werden dieses Haus nicht betreten, um das Unglück nicht auf sich zu ziehen.
  • Tiere schlachten. Dies trifft auch für den Ehemann zu. Tut man es doch, so ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass dem Neugeborenen etwas zustößt und es umkommt.
  • Tagsüber schlafen. Tut man dies doch, dann schläft das Kind während der Geburt und man hat dadurch eine schwere Geburt.
  • Schmuck tragen. Tut sie es doch, so wird befürchtet, dass sich im Mutterleib die Därme um das Embryo legen wie Halsketten oder Armreifen und es zu Tode würgen.
  • Die Hand höher als den Kopf bringen. Tut sie es doch, so kann sie ihr Kind verlieren.
  • Beim Feuer machen das dünne Ende eines Astes zuerst ins Feuer legen. Der Ast muss unbedingt mit dem dicken Ende voran ins Feuer gelegt werden. Tut sie es doch, dann kommt bei der Geburt das Kind mit den Beinen voran heraus und es wird eine schwere Geburt.
  • Etwas mit den Händen teilen, um die andere Hälfte weiter zu geben. Tut sie es doch, dann wird auch ihr Kind nicht vollständig sein und ein Körperteil fehlen.
  • Mit den Füßen in Berührung mit Flusswasser (Überschwemmung) kommen. Tut sie es doch, dann wird befürchtet, dass Krankheitserreger über eine kleine Wunde in den Körper gelangen und das Kind krank wird.
  • Aus einem großen Gemeinschaftstopf/Pfanne/Schüsseln essen. Hierzu hat mir meine Frau keine Erklärung gegeben. Sie sagt nur, dass dies schon immer so war und alte Leute die Bedeutung bestimmt noch kennen.

Eine Schwangere soll:

  • Viel Kokosnussmilch trinken. Das Baby bekommt dann hellere Haut.
  • Ab dem 3. Monat möglichst nur noch Warmes trinken.

Es gibt aber auch noch Dinge, die Dritte betreffen: Sieht man eine Schwangere auf der Straße, dann trifft man den Beamten, zu dem man unterwegs ist, nicht an. Nach all diesen Regeln leben auch wir jetzt. Besonders hart trifft uns die Regel, dass man während einer Schwangerschaft kein Haus bauen kann, denn nur kurze Zeit vor Bekanntwerden der Schwangerschaft haben wir mit unserem Hausbau begonnen. Dazu aber mehr im Bericht „Abenteuer Hausbau“, der ja bereits seit längerem schon bei „Vietnamfreunde“ zu sehen ist.

 

 

Die Entbindung im Krankenhaus

Es ist so weit und das Kind möchte das Licht der Welt erblicken. Ich habe es meiner Frau überlassen, wo sie das Kind zur Welt bringen möchte. Sie ist sich anfangs nicht schlüssig und meinte in der einen Woche noch in Vietnam und in der nächsten Woche zieht sie Deutschland vor. Als es nun ernst wird und ich die Flugtickets besorgen muss, steht für sie fest, dass sie das Kind in Vietnam bekommen wird. Dazu bewogen haben sie zum einen das Essen und zum anderen die Behandlungen und Rituale, die nach der Geburt vollzogen werden müssen. Nach der Geburt gibt es viele Dinge, die eine 

 

 

Mutter essen soll. In Deutschland ist es nicht möglich, diese Dinge zu bekommen und auch eine Person, welche die Rituale in den ersten 2 - 3 Monaten nach der Geburt durchführt, ist nicht zu finden. Im Nachhinein bin ich froh, dass es so gekommen ist. Ich habe nicht daran gedacht, dass unsere Tochter in Deutschland als Deutsche zur Welt kommt. Da wir aber in Vietnam leben, wäre sie damit, wie ich auch, dem Visumzwang unterworfen. Viel vorteilhafter ist daher die Geburt in Vietnam, wobei meine Tochter automatisch die vietnamesische Staatsbürgerschaft bekommt. Als Kind eines Deutschen ist es kein Problem, zusätzlich die deutsche Staatsbürgerschaft zu bekommen. Auf der Deutschen Botschaft in Saigon mussten wir eine Geburtsmeldung machen und bekamen noch am gleichen Vormittag den deutschen Reisepass für unsere Tochter ausgehändigt.

 

 

Es ist nun soweit und meine Frau hat das Gefühl, dass es bald losgeht. Es ist bereits 1 Tag vor dem Termin, der uns damals bei der ersten Untersuchung vor 9 Monaten genannt worden ist. Meine Frau hat mit Hilfe einer „Freundschaftszahlung“ mit dem stellver- tretenden Chefarzt der Geburtsklinik ausgemacht, dass sie von ihm behandelt wird. Daher geht es am 22.12.03 gegen 1 Uhr morgens direkt zu ihm nach Hause in seine Privatklinik. Meine Frau übernachtet dort zusammen mit 2 Schwestern und ihrer Mutter. Am nächsten Morgen geht eine Abordnung ihrer Familie (8 Personen), mit mir zusammen in die Privatklinik, um meine Frau in das öffentliche Krankenhaus zu bringen. Dort erlebe ich etwas Eigenartiges - für meine Frau und deren Familie scheinbar nichts Besonderes. 

 

 

Nachdem der stellvertretende Chefarzt meine Frau abgetastet hat, sagt er zu uns, dass wir in 4 Stunden wiederkommen sollen. Es gibt keine Zimmer, in denen die hochschwangeren Frauen warten können. 15 km mit dem Motorrad zu uns nach Hause scheinen uns im Zustand meiner Frau zu weit. In einem Restaurant in der Nähe warten wir bis zum nächsten Termin. Meine Frau wird wieder abgetastet und dieses Mal sollen wir bereits nach 3 Stunden wieder- kommen. Eine Schwester meiner Frau führt uns (12 Personen) zu Freunden, die etwa 1 km vom Krankenhaus entfernt auf dem Busbahnhof ein Restaurant haben. Hier warten wir in unmittelbarer Nähe des Krankenhauses - 2 Tage und eine Nacht - und gehen etwa alle 1 - 3 Stunden ins Krankenhaus zur Untersuchung.

 

 

Wie schon so oft zuvor, kommen wir wieder zur Untersuchung, doch dieses Mal ist es tatsächlich so weit. Schnell werden noch die 2 Seepferdchen gerichtet, die während der Geburt in beiden Händen gehalten werden müssen, um weniger Schmerzen zu haben. Nach kleineren Komplikationen kommt unsere Tochter durch einen Kaiserschnitt zur Welt. Meine Frau wird nach der Entbindung sofort von unserer Tochter getrennt und kommt zu all den anderen Frauen, die auch einen Kaiserschnitt hatten. Das Neugeborene gibt man der Mutter meiner Frau in die Hände und teilt uns ein Bett in einem 6-Bett-Zimmer zu. Es ist lediglich ein Bettgestell aus Edelstahl ohne Matratze. Eine flinke Händlerin ist zur Stelle und verkauft uns eine Schilfmatte für das Bett.

 

Sie hat auch gleich eine Thermoskanne mit heißem Wasser zur Hand und erklärt, dass wir von ihr gegen eine kleine Gebühr ständig heißes Wasser bekommen. Sie ist sehr geschäftstüchtig und bietet uns auch gleich Stühle und Liegen für die Nacht zur Miete an.Hier sitzen wir nun zu sechst auf der Bettkante mit dem Neugeborenen im Schoß. Der Rest der Familie steht im Halbkreis vor dem Bett und lässt ebenfalls komische Laute wie Dadada, Lalala oder Dududu von sich. Doch nach kurzer Zeit ruft der Ernst des Lebens. Meine Tochter hat Hunger und ihre Mutter wird noch die nächsten 3 Tage von ihr getrennt sein. Ich bekomme sie in die Hand und man gibt mir zu verstehen, dass ich eine andere „Mama“ suchen soll, die noch etwas Milch übrig hat. In unserem Zimmer habe ich keinen Erfolg. 

 

 

Als ich ins Nachbarzimmer komme, werde ich mit Gelächter empfangen und der Geräuschpegel steigt schnell an. Ohne zu sagen was ich möchte, weist man mir den Weg zu einem bestimmten Bett. Als meine Tochter bei dieser „Mama“ trinkt, ist kaum noch ein Platz für weitere Zuschauer an diesem Bett frei. Auf diese Art lerne ich während der nächsten 2 Tage sämtliche Leute in den anderen Zimmern des Krankenhauses kennen. Nicht an jedem Bett hat es so viele Angehörige wie bei uns. In der Regel sind es 3 - 6 wovon etwa 2 auch während der Nacht da bleiben. Sie schlafen in gemieteten Liegen vor dem Bett oder einfach auf Schilfmatten am Boden. 

 

 

Es kommt eine Frau zu uns ans Bett und ich merke, dass sie nicht aus Neugier wie all die anderen kommt. Sie bittet um eine Spende und erklärt, dass ihre 34-jährige Tochter zur Entbindung im Krankenhaus ist, aber die Familie nicht genug Geld hat, um die Rechnung zu bezahlen. Sie berichtet, dass der Vater des Kindes verschwunden sei, als er von dem Kind erfuhr. Ihre Tochter wolle das Kind nach der Geburt weggeben, weil sie kein Geld hat. Alle versuchen, ihr dies mit der Begründung auszureden, dass auch sie später jemanden braucht, der für sie sorgt, und spenden etwas. Am nächsten Tag kommt sie noch einmal vorbei. Dieses Mal ist sie aber unterwegs, um Handtücher und Windeln zu organisieren. 

 

 

Es gibt noch eine weitere Spendensammlung am nächsten Tag. Eine Mutter bringt ihr etwa 1-jähriges krankes Kind ins Krankenhaus und bittet jemanden, kurz nach dem Kleinen zu schauen, während sie auf die Toilette geht. Sie kommt aber nicht mehr zurück. Anschließend gibt es eine Umfrage, ob jemand dieses Kind haben möchte. Eigentlich sollte meine Frau 3 Tage auf der anderen Station bleiben. Wegen Bettenknappheit heißt es am 2. Tag, dass wir sie „holen“ müssen. Mittlerweile habe ich mich schon daran gewöhnt, dass man alles selber machen muss. Wir versorgen das Neugeborene, organisieren das Essen für meine Frau und holen sie jetzt sogar selbst von der anderen Station ab. Es gibt keinerlei Unterstützung seitens des Krankenhauses und nirgends ist eine Trage zu sehen.

 

 

Ich gehe kurzerhand zum Rettungswagen und nehme dort die Trage heraus. Zusammen mit meiner Schwägerin bringe ich meine Frau in das andere Gebäude zu unserer Tochter. Einen Passanten bitten wir, die Infusionsflasche und den Katheter zu tragen. Dies ist in Deutschland wohl kaum vorstellbar. Da sich unsere Tochter im Krankenhaus eine Hautinfektion zugezogen hat, verlängert sich unser Aufenthalt um einige Tage. Mir ist es schon ein bisschen peinlich, wenn mehrmals täglich der stellvertretende Chefarzt bei uns vorbei schaut und bei den anderen im Zimmer nur kurz eine Krankenschwester kommt, wenn die Infusionsflasche gewechselt werden muss. Gerade bekommt die Frau im Bett nebenan wieder eine Rechnung. Es ist hier so üblich, dass unmittelbar nach einer medizinischen Leistung eine Rechnung erstellt wird.

 

 

Erfolgt keine Zahlung, dann gibt es keine weitere Behandlung. Am Nachbarbett ist die Stimmung am Boden. Meine Frau übersetzt mir, dass die Familie die Rechnung für den Kaiserschnitt bekommen hat. Diese Kosten haben sie nicht einkalkuliert und haben jetzt nicht genug Geld. Ein Kaiserschnitt liegt ohne Medikamente bei ca. 21 Euro. Ihr Kind hat Gelbsucht, was die Kosten zusätzlich noch in die Höhe treibt. Die Eltern des Mannes sind gerade hier, aber auch mit ihrem Geld reicht es nicht. Folgendes verstand ich auch ohne Vietnamesisch-Kenntnisse. Die frisch gebackenen Eltern am Nachbarbett sowie die Eltern des Mannes nahmen ihre Eheringe von den Fingern und gingen los, um sie zu versetzen. Alle, die neugierig zu uns ans Bett kommen, begutachten Lisa und meinen, dass wir Lisa sofort weggeben könnten. Nachdem ich dies zum zweiten Mal von meiner Frau übersetzt bekomme, frage ich sie, was dies zu bedeuten hat. Sie erklärt mir, dass es Frauen gibt, die nicht genug Geld haben, um die Krankenhausrechnung und die Erziehung zu bezahlen. Diese würden nach Verlassen des Krankenhauses ihre Kinder weggeben, falls sie jemand nimmt. Sie bekommen zumindest soviel Geld dafür, damit sie die Krankenhausrechnung bezahlen können.

 

 

 

 

 

Mit dem Kind Zuhause bei der Familie

Wir sind noch mit dem Taxi unterwegs nach Hause, da wird dort schon kräftig vorbereitet. Um den vielen Behandlungen, Regeln und Ritualen nach einer Geburt nachzukommen haben wir für 3 Monate eine erfahrene Frau eingestellt, die sich um alles kümmert. Als wir ankommen, werden meine Frau und das Kind in Windeseile von ihr in den vorbereiteten Raum gebracht. Es ist ein Raum von 2 x 3 Metern ohne Fenster. Er ist nur mit einem Bett aus Bambus möbliert. Unter dem Bett steht eine Tonschale - gefüllt mit glühender Holzkohle - die für die nächsten 2 - 3 Monate ständig am Glühen gehalten wird. 

Ein weiterer großer Topf - abgedeckt mit Bananenblättern - steht vor dem Bett auf dem Boden. In ihm wartet ein Dampf, über dem die Haare meiner Frau etwas gereinigt werden. Meine Frau wird diesen Raum in den nächsten 2 - 3 Monaten kaum verlassen und auch jeden Kontakt mit Wasser meiden. Das Essen nimmt sie ebenfalls in diesem Raum ein und verrichtet ihre Geschäfte auf einem Nachttopf. Einen Monat sollte diese Prozedur auf jeden Fall anhalten. Länger wäre aber auf jeden Fall besser. Hinterm Haus auf der GesichtsmaskeHolzfeuerstelle warten weitere Dämpfe, die unmittelbar danach inhaliert werden müssen. Schon am Anfang der Schwangerschaft wurden Sträucher und verschiedene Blätter von uns gesammelt, klein gehackt und in der Sonne getrocknet. Jetzt wird davon ein spezieller Tee für meine Frau gebraut.

Eine Gesichtsmaske aus Ingwer und Eigelb wird aufgetragen und soll für feine Haut sorgen. Die Blätter eines bestimmten Baumes werden in einem Stoffbeutelchen über offenem Feuer (im Zimmer) kurz aufgeheizt und ins Gesicht gerieben. Diese Prozedur dauert gut 10 Minuten, wobei alle paar Sekunden das Beutelchen wieder kurz über das Feuer gehalten wird. In den nächsten Wochen beobachte ich täglich, wie mehrmals verschiedene Dämpfe inhaliert werden und irgendetwas im Gesicht aufgetragen wird. Meine Frau erklärt mir, dass noch viel mehr gemacht werden müsste, aber dies wegen dem Kaiserschnitt jetzt nicht möglich ist. Interessant finde ich, wie die Muttermilch immer wieder aufgewärmt wird, bevor unsere Tochter trinken darf. Es wird eine Art Brei oder Teig auf die Brust aufgetragen. In ihm ist viel Hefe enthalten. Nach dem Auftragen dauert es nicht lange, bis es anfängt, sich aufzuheizen.

 

 

Damit das Bett nicht von bösen Geistern heimgesucht wird und unsere Tochter gut schlafen kann, müssen sämtliche Gegenstände an bestimmten Stellen im Bett ausgelegt werden. Am Kopfende liegen beispielsweise ein etwa 8 cm langes Bambusstück und ein etwa 30 cm langer Reisigbesen. Unter der Schilfmatte liegt in der Höhe unserer Tochter ein Messer. Wie schon im Krankenhaus trägt sie auch zu Hause ständig ein gelbes T-Shirt oder bekommt es einfach nur mit in die Tücher hinein gewickelt. Dieses gelbe T-Shirt wurde aus dem gelben Stern einer vietnamesischen Flagge gemacht. Es kann aber nicht jede beliebige Flagge benutzt werden. Es muss eine Flagge sein, die bei einer Beerdigung benutzt wurde. Noch während einer Beerdigung versuchen viele an diesen gelben Stern zu kommen, um später ihren Nachwuchs damit vor Bösem zu schützen. In der Familie meiner Frau hat dieses gelbe T-Shirt bereits alle Geschwister

 

 

meiner Frau und deren Kinder begleitet.  Jeweils am Kopf- und Fußende des Bettes wird der Schwanz eines Rochen angebracht. Während meines 2-jährigen Aufenthaltes in Vietnam hat mich weder eine Schlange noch ein Skorpion oder einer der gefährlichen Tausendfüßler gestochen. Aber ein Rochen hat dies geschafft, wobei er schon längst tot war. Mit meinem Fuß bin ich gegen den Schwanz des Rochen gestoßen, der am Fußende des Bettes befestigt ist. Etwa 1 cm hat sich die Spitze in meinen Fuß gerammt. Die vielen kleinen Widerhaken machen es sehr schmerzhaft, ihn zu entfernen. 

Durch den großen Tontopf unterm Bett, der mit Glut gefüllt ist, ist es unerträglich warm und verraucht im Zimmer. Ich fühle mich in diesem Bett wie auf einem Grill. Auch unsere Tochter findet es im Zimmer sehr warm. Zum Glück haben wir zur Zeit Winter und nur Außentemperaturen von etwa 24 - 26 Grad. Das Feuer unterm Bett muss im Sommer bei 40 Grad Außentemperatur fast nicht zum Aushalten sein. Auch unsere Tochter kommt in den Genuss von Behandlungen. Im Gegensatz zu meiner Frau scheint es ihr aber zu gefallen, denn sie lächelt oft dabei. Ein bestimmtes Blatt wird über dem Feuer kurz aufgeheizt und dann über ihren Kopf gestreift. Dieser Vorgang wiederholt sich alle paar Sekunden und dauert insgesamt 10 Minuten. Es sorgt angeblich für einen kräftigen

 

 

Schädelbau.  Die gleiche Prozedur folgt im Anschluss ebenfalls für 10 Minuten mit dem Bauch. Dies sorgt dafür, dass im Magen alles ok ist. Zum Schluss wird das heiße Blatt die letzten 10 Minuten auf die Scheide gedrückt und alle paar Sekunden wieder über dem Feuer aufgeheizt. Dieser Akt hat modische inhalierenHintergründe. Angeblich bleibt dadurch die Scheide klein, damit unsere Tochter später einmal enge modische Kleidung anziehen kann, ohne dass sich darin die Scheide abzeichnet. Diesen Teil der Behandlung findet unsere Tochter allerdings nicht so gut und weint oft dabei. Ja ja, wer schön sein will, muss leiden. Gebadet wird unsere Tochter nicht etwa mit einem Babyschaumbad sondern im gleichen Tee, der auch der Mutter zum Trinken gereicht wird. Zusätzlich kommt noch ein Schnapsglas Reisschnaps hinein.

 

 

Vor dem baden muß unbedingt 7 mal auf den Bauch getätschelt werden. Bei Jungen müsste dies 9 mal geschehen. Auch außerhalb unseres Zimmers wird einiges anders gemacht als sonst. So darf z.B. die Kleidung oder die Handtücher des Neugeborenen nicht mit anderer Wäsche zusammen gewaschen werden. Auch darf sie beim Waschen nicht ausgewrungen werden. Dies hätte zur Folge, dass die Kleidung oder die Handtücher das Kind würgen. Die Babykleidung sowie die Damenkleidung darf auch nicht zur Straße hin sichtbar aufgehängt werden. Da auch noch die Wege, die direkt zu den Altären führen, freigehalten werden müssen, ist nicht mehr viel Fläche zum Trocknen übrig. Trotz der intensiven Sonne dauerte es recht lange mit dem Trocknen, da nichts ausgewrungen werden darf.

 

 

 

Monatsfest

Am Ende des ersten Monats wird ein großes Fest gefeiert. Ich vergleiche es fast mit einer Taufe in Deutschland. Der Sprössling wird mehr oder weniger bei den Geistern angemeldet. Viele aus der Familie und auch viele Freunde und Nachbarn sind eingeladen und sehen unsere Tochter zum ersten Mal. Ihnen allen war und ist der Zugang zum Zimmer meiner Frau und Tochter verwehrt, solange die „Behandlungen“ durchgeführt werden. Lediglich die Eltern und Geschwister meiner Frau haben Zugang. Meine Frau verlässt ihr Zimmer mit unserer Tochter nur kurz, um die Gäste zu

begrüßen und unsere Tochter vorzustellen. Hierzu ist sie total verhüllt, damit kein„Wind“ an sie heran kommt. Sie trägt eine Mütze mit heruntergelassenen Ohrenklappen. Vor Mund und Nase trägt sie einen Mundschutz, wie er beim Motorradfahren oft zu sehen ist. Die Finger sind in Handschuhen versteckt.

 

Körperhaare

Zum Ende des 2. Monats wird unserer Tochter eine Glatze rasiert. Danach soll kräftiges neues Haar nachwachsen. Mit viel mehr Aufwand wird gegen die Körperbehaarung an den Stellen vorgegangen, wo Haare unerwünscht sind. Dies geschieht bei uns Anfang des 2. Monats. Die Mutter meiner Frau macht sich auf den Weg, um ein ganz bestimmtes Kraut zu sammeln. In einem Mörser wird das noch frische Kraut zerstampft. Mit dem entstandenen Brei werden Arme, Beine, Stirn und der Oberkörper eingeschmiert. Danach lassen wir die Kräuter etwa 10 Minuten einwirken. Wir baden unsere Tochter zweimal in frischem Tee mit einem Schuss Reisschnaps. Unsere Tochter weint die nächsten 2 Tage viel und schläft kaum noch. Ich vermute, dass es sie von den Kräutern noch ständig auf der Haut juckt. Ich setze mich durch und wir baden unsere Tochter mit Bademittel und Shampoo. Danach war sie wieder friedlich und konnte auch schlafen.

 

 

 

Wieder Normalzustand

Nach 2 ½ Monaten schicken wir unsere Angestellte wieder nach Hause. Sie verdient bei uns 800.000 VND (40 Euro) im Monat. Dies entspricht der üblichen Entlohnung für solch eine Tätigkeit. Es ist wirklich Schwerstarbeit, was sie da verrichtet: ständig die Glut unterm Bett am Glühen halten und die verschiedensten Dämpfe herrichten, die unterschiedlichsten Gesichts- und Hautmasken aus allerlei Kräutern, Wurzeln, Ölen und anderem bereitstellen und einmassieren, ebenso ist sie für den Tee zuständig. Meine Frau bekommt eine ganz bestimmte Nahrung, die auch von ihr zubereitet wird. Nachts schläft sie auf dem Boden direkt vor der Zimmertüre und ist sofort da, wenn etwas mit meiner Frau oder meiner Tochter ist. Hat sie zwischendurch ein bisschen Luft, dann muss sie zum Einkaufen und erledigt die Wäsche von uns. Bei Regentagen

 

muss sie zusätzlich noch die Wäsche trocken bügeln. Ich bin sehr froh, dass dieser Spuk jetzt endlich ein Ende hat. Wir müssen noch 2 weitere Wochen in dieser kleinen Kammer im Haus der Schwiegereltern behandlung von tochterbleiben. Unser neu gebautes Haus ist zwar seit 4 Monaten bezugsbereit, aber der Wahrsager sagt voraus, dass wir erst einziehen können, wenn unsere Tochter 3 Monate alt ist. Es ist für uns ein gigantischer Wechsel von dieser 6 m² Kammer in unser neues 120 m² Haus. Unsere Tochter hat hier eine elektrisch angetriebene Wiege und fühlt sich recht wohl. Ich frage meine Frau, ob sie mir helfen kann, die Wiege samt dem Kind an eine andere Stelle zu bringen. Meine Frau klärt mich auf, dass dies nicht möglich ist. Liegt jemand in einer Wiege, auf einer Liege, im Bett oder ähnlichem, dann darf dies nur dann von 2 Personen umgestellt werden, wenn der Betreffende krank ist. Wir nehmen also unsere Tochter aus der Wiege heraus und stellen die Wiege dann gemeinsam um. An dieser Wiege sind natürlich wieder die Rochenschwänze, das Bambusstück, der kleine Besen, das Messer und was sonst noch dazu gehört, befestigt.

Im 4. Monat kaufen wir einen Kinderwagen und müssen bei jeder Ausfahrt das Messer und den kleinen Besen dabei haben, damit alle Geister gut gestimmt sind. Es ist mir peinlich, mit dem Kinderwagen auf die Straße zu gehen. Bisher habe ich hier noch keinen Einheimischen mit einem Kinderwagen gesehen. Die Leute rufen zum Teil sogar ihre Eltern oder Geschwister aus den Häusern, um uns zu sehen, wenn wir vorbei gehen. Erstaunlicherweise funktioniert es mit den Impfungen recht gut. Wir müssen uns um nichts kümmern. Ein paar Tage vor einer Impfung bekommen wir eine schriftliche Einladung. Einmal haben wir einen Termin vergessen und schon war die Polizei da und wollte das Kind zum Impfen abholen.

Wir müssen immer wieder Milchpulver kaufen, um ausreichend Milch für unsere Tochter zu haben. Auch meine Frau rührt sich jeden Abend 1 Glas davon an. Für uns ist das kein Problem, aber für Einheimische ist so eine Dose mit 400 Gramm für 80.000 VND doch recht teuer. Bei 4 Dosen im Monat sind das immerhin 320.000 VND, was Vietnamesen mit einem monatlichen Durchschnittsver- dienst von 900.000 VND doch schwer trifft. Bis zum Ende des 3. Monats haben wir 12 Mio. VND (600 Euro) ausgegeben. Darin enthalten sind die Krankenhauskosten, Medikamente, Freundschaftsgelder, Lohn für unsere Angestellte und was sonst noch alles mit der Geburt zu tun hatte. Das entspricht etwa einem durchschnittlichen vietnamesischen Jahres-Bruttogehalt. Dabei hatte ich nicht mal das Gefühl, dass wir irgendwo großzügig oder verschwenderisch waren oder im Luxus gelebt hätten.

 

Resüme

Ich kann mir nur schwer vorstellen, so etwas noch einmal durchzumachen. Ich denke nicht, dass ich in der Einleitung übertrieben habe, als ich schrieb, dass sich deutsche Väter so etwas kaum vorstellen können, was ich dabei alles erdulden musste. Für meine Frau muss das Ganze ja noch viel schlimmer gewesen sein. Noch heute läuft es mir kalt den Rücken hinunter, wenn uns jemand wegen einem weiteren Kind anspricht. Ich möchte an dieser Stelle noch mal erwähnen, dass man diese Geschichte nicht verallgemeinern kann und es nicht bei allen Geburten in Vietnam so ablaufen muss wie bei uns. Die Familie meiner Frau ist sehr abergläubisch und dazu auch noch etwas altmodisch.

 

 

 

 

Sie sind herzlich willkommen auf meiner Website weiter herumzustöbern. Vielleicht sind einige Programmpunkte im Reise-Teil für sie Interessant und man lernt sich während einer Vietnamreise im schönen Hoian kennen.

 

© Text u. Fotos: Thomas Weingärtner

Web: tvh-travel.de

 

 

 


Song Thu Bon